Der EM-Traum der deutschen U21-Nationalmannschaft ist kurz vor dem Ziel geplatzt. Das Team um Shootingstar Nick Woltemade verlor das Finale der U21-EM 2025 gegen Titelverteidiger England vor den Augen von Bundestrainer Julian Nagelsmann trotz großer Moral mit 2:3 (2:2, 1:2) nach Verlängerung. Es war die erste Niederlage seit exakt zwei Jahren für das Team von Antonio Di Salvo.
Woltemade wird Torschützenkönig
Joker Jonathan Rowe (92.) sorgte in der slowakischen Hauptstadt Bratislava für den späten K.o. der deutschen Mannschaft, die zuvor alle fünf EM-Spiele gewonnen hatte. Die Mainzer Nelson Weiper (45.+1) und Paul Nebel (61.) hatten in der regulären Spielzeit den schnellen 0:2-Rückstand durch Harvey Elliott (5.) und Omari Hutchinson (25.) noch ausgeglichen.
Damit endete auch der Traum vom vierten Titel nach 2009, 2017 und 2021 jäh. Für die meisten Spieler, darunter auch der angeblich von Bayern München umworbene und diesmal glücklose Woltemade, war es der letzte Einsatz als Junioren-Nationalspieler. Woltemade nahm mit sechs EM-Treffern zumindest die Auszeichnung als Torschützenkönig mit nach Hause, vor ihm hatten das nur drei Deutsche geschafft.
Vor Woltemade waren Pierre Littbarski (1982), Luca Waldschmidt (2019) und Lukas Nmecha (2021) die besten Torjäger einer EM geworden. Waldschmidt sorgte mit sieben Turniertoren gleichauf mit dem Schweden Marcus Berg (2009) für einen weiterhin gültigen EM-Rekord.
Schneller Rückstand und dann bis in die Verlängerung gerettet
Anders als in der Gruppenphase, als Deutschland mit einer B-Elf 2:1 gegen England gewonnen hatte, setzte Di Salvo diesmal auf die bestmögliche Mannschaft. „Es ist ein Finale, da werden die Karten neu auf den Tisch gelegt“, sagte der DFB-Coach vor dem Anstoß. Und tatsächlich waren die Young Lions diesmal von Beginn an deutlich präsenter und aggressiver.
Die Folge war das schnelle 1:0. Torhüter Noah Atubolu vom SC Freiburg rettete zunächst glänzend gegen Hutchinson, dann aber klärte Nnamdi Collins (Eintracht Frankfurt) den Ball genau in die Füße von Elliott. Der Liverpool-Stürmer staubte eiskalt zu seinem fünften Turniertor ab.
Die 19.153 Zuschauer, darunter neben Nagelsmann auch Englands Teamchef Thomas Tuchel, sahen in der Folge ein intensives Spiel mit den besseren Chancen für England. James McAtee (14., 19.) verpasste zweimal aus guter Position. Nagelsmann war erstmals im Stadion, sein Fehlen bei den ersten fünf Partien der deutschen Mannschaft hatte auch für Kritik gesorgt.
Wenig später legte Hutchinson mit einem satten Linksschuss das zweite Tor nach, der gefrustete Woltemade schimpfte erstmals lautstark. Der Neu-Nationalspieler bekam trotz seiner Körpergröße von 1,98 Meter und den vielen Flanken kaum einen Stich. Besser machte es der mit 1,92 Meter ebenfalls groß gewachsene Weiper, der nach einer Hereingabe seines Klubkollegen Nebel per Kopf für neue Hoffnung sorgte.
Nach der Pause entwickelte sich ein offener Schlagabtausch. Der nun überragende Nebel glich aus der Distanz aus – und hatte in der Nachspielzeit bei einem Lattenschuss (90.+3) gar den Sieg auf dem Fuß. Stattdessen brachte der kurz zuvor eingewechselte Rowe die Engländer erneut in Führung. Auch Merlin Röhl (120.+1) traf nur noch die Latte.
Statistik
England – Deutschland 3:2 (2:2, 2:1) n.V.
England: Beadle – Livramento, Cresswell, Quansah, Hinshelwood – Scott (44. Morton, 91. Rowe), Anderson (98. Egan-Riley) – Elliott, McAtee (91. Nwaneri), Hutchinson (99. Iling Junior) – Stansfield (62. Norton-Cuffy). Trainer: Carsley.
Deutschland: Atubolu – Collins, Oermann (106. Wanner), Arrey-Mbi, Brown (86. Ullrich) – Martel (98. Tresoldi), Reitz – Gruda (73. Knaufft), Woltemade, Nebel – Weiper (80. Röhl). Trainer: Di Salvo.
Tore: 1:0 Elliott (5.), 2:0 Hutchinson (25.), 2:1 Weiper (45.+1), 2:2 Nebel (61.), 3:2 Rowe (92.).
Schiedsrichter: Sander van der Eijk (Niederlande).
Gelbe Karten: Scott, Iling Junior, Beadle – Martel.
Zuschauer: 19.153 in Bratislava.
Deutschland vor dem Finale gegen England
Nur noch einen Schritt ist die deutsche U21-Nationalmannschaft vom ersten Titel seit 2021 und dem vierten in der DFB-Historie entfernt. Im U21-EM-Finale am Samstag, den 28. Juni 2025, um 21 Uhr in Bratislava wartet mit England der Titelverteidiger, den das DFB-Team schon in der Vorrunde 2:1 besiegt hat.
Für Deutschland wäre es der vierte Titel nach 2009, 2017 und 2021. Auch England hat den EM-Titel mit der U21 bereits dreimal gewonnen (1982, 1984 und 2023) und steht in seinem fünften Endspiel. Die einzige Finalniederlage gab es 2009 – beim 0:4 gegen Deutschland.
Kurios: Die letzte Niederlage einer deutschen U21-Nationalmannschaft gab es ziemlich genau vor zwei Jahren, beim 0:2 und dem damit verbundenen Vorrunden-Aus bei der EM in Georgien am 28. Juni 2023 – gegen England. Die DFB-Auswahl blieb anschließend 20 Spiele in Serie ungeschlagen und will ihren Lauf nun mit dem Titel krönen.
Finale der U21-EM 2025 in Bratislava
Sportdirektor Rudi Völler konnte seine Vorfreude auf die Mutter aller Fußballspiele nicht verstecken. „Deutschland gegen England, mehr geht nicht. Das ist ein Traumfinale“, sagte der DFB-Sportdirektor nach dem Finaleinzug der deutschen U21 – und fügte mit einem Zwinkern an: „Hoffentlich gewinnen wir 2:1.“
So wie schon in der Gruppenphase, diesmal allerdings mit völlig anderen Vorzeichen. „Das Vorrundenspiel spielt für mich überhaupt keine Rolle“, mahnte DFB-Trainer Antonio Di Salvo. Immerhin hatte er dort mit der vorzeitigen Viertelfinal-Qualifikation im Rücken seine komplette Mannschaft ausgetauscht. „Ein Finale ist ein Finale, und die Engländer haben sich gesteigert“, so Di Salvo. Und wie. Nach der durchwachsenen Vorrunde mit lediglich einem Sieg gegen Tschechien (3:1) und dem dürftigen Remis gegen Slowenien (0:0) räumte die Mannschaft von Teammanager Lee Carsley erst den Topfavoriten Spanien (3:1) und schließlich die Niederlande (2:1) aus dem Weg. „Lee Carsley hat nach dem Vorrundenspiel gesagt: ‚Wir sehen uns im Finale‘ – und so ist es auch gekommen“, sagte Di Salvo.
In Bratislava ruhen die Hoffnungen der Young Lions am Samstag vor allem auf Harvey Elliott. Der kleine, aber schnelle Flügelspieler vom FC Liverpool ist neben Verteidiger Charlie Cresswell der einzige Spieler im Kader, der bereits beim Titelgewinn vor zwei Jahren dabei war. Er ist zudem mit vier Turniertreffern erster Verfolger von Deutschlands Nick Woltemade (6) in der Torjägerliste.
Auf diese DFB-Jungstars kommt es an
Der schlaksige Stürmer Nick Woltemade (23, VfB Stuttgart) ist der EM-Star schlechthin. „Woltemessi“ führte vor dem Finale nicht nur die Torschützenliste an, er ist bislang der Unterschiedsspieler. Für Wirbel sorgte Woltemade, der zuletzt auch in der A-Mannschaft debütiert hatte, aber vor dem Finale auch außerhalb des Platzes: Er soll sich mit dem FC Bayern über einen Vertrag bis 2030 einig sein.
Keeper Noah Atubolu (23, SC Freiburg) gilt in Deutschland als der Torwart der Zukunft. Er soll Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen nachfolgen. Eine Talentprobe der besonderen Art lieferte Atubolu beim 3:0 im Halbfinale, als er Frankreich mit zahlreichen Paraden zur Verzweiflung trieb. Er spiele, so di Salvo, eine „überragende EM“. Mit seinem 21. Einsatz löste der Freiburger zudem keinen Geringeren als Neuer als Rekordtorhüter der deutschen U21 ab.
Zusammen mit Eric Martel bildet Rocco Reitz (23, Borussia Mönchengladbach) im Mittelfeld das Herz der deutschen U21. Der Gladbacher imponiert mit Einsatz, Laufbereitschaft und Reife. Fragen nach dem A-Team wehrte Reitz dennoch ab. „Ich will kein Zeichen in Richtung A-Nationalmannschaft setzen“, sagte er: „Ich will ein Zeichen für die Mannschaft setzen.“
Nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Innenverteidiger Max Rosenfelder muss Bright Arrey-Mbi (22, Sporting Braga) jetzt die Defensive organisieren. Auf den kantigen Abwehrspieler wartet gegen die englischen Topjungs einige Arbeit. Zur EM kam der frühere Münchner mit wenig Spielpraxis. In Braga hatte Arrey-Mbi in der Schlussphase der Saison nicht mehr gespielt. Dennoch baute di Salvo bei der EM von Beginn an auf den 22-Jährigen.
Mit seinen Treffern im Viertel- und Halbfinale hat Angreifer Nelson Weiper (20, 1. FSV Mainz 05) entscheidenden Anteil am bisherigen Abschneiden der DFB-Junioren. Zusammen mit seinem Klubkollegen Paul Nebel und Woltemade bildet Weiper eine schwer ausrechenbare Offensive. Doch möglicherweise geht der Mainzer, jüngster Bundesliga-Spieler und -Torschütze der FSV-Vereinshistorie, dem DFB verloren. Weiper könnte auch für Albanien, Geburstsland seiner Mutter, spielen. „Wenn es irgendwann nicht mehr klappt für Deutschland, sehe ich das als sehr gute Option“, sagte er zuletzt.
Wird Nick Woltemade EM-Torschützenkönig?
Für den EM-Titel stellt Nick Woltemade jegliche persönliche Interessen hintenan. „Solange wir den Titel holen, ist mir das egal, ob ich Torschützenkönig werde oder nicht“, sagte der Shootingstar vom VfB Stuttgart vor dem U21-Finale. Aber „wenn ich helfen, ein Tor schießen und beides holen kann, wäre das natürlich sehr schön.“ Woltemade liegt mit sechs Treffern komfortabel vor Englands Harvey Elliott (4). Der Flügelspieler vom FC Liverpool könne im Finale „gerne drei Tore schießen, solange wir ein Tor mehr machen und den Titel holen ist mir das echt egal“, sagte Woltemade.
Mit einem weiteren eigenen Treffer würde der 23-Jährige den EM-Rekord von Luca Waldschmidt (2019) und dem Schweden Marcus Berg (2009, jeweils 7 Tore) egalisieren.
Die bisherigen deutschen Titel-Teams
Dreimal war eine DFB-U21 bislang erfolgreich bei der Endrunde – 2009, 2017 und 2021. Die Endspiele der U21-EM in der Übersicht:
29. Juni 2009 in Malmö/Schweden
Deutschland – England 4:0 (1:0).
Deutschland: Manuel Neuer – Andreas Beck, Jérôme Boateng, Benedikt Höwedes, Sebastian Boenisch – Mats Hummels (83. Dennis Aogo) – Fabian Johnson (69. Daniel Schwaab), Gonzalo Castro, Sami Khedira, Mesut Özil (89. Marcel Schmelzer) – Sandro Wagner. – Trainer: Horst Hrubesch.
Tore: 1:0 Castro (23.), 2:0 Özil (48.), 3:0 Wagner (79.), 4:0 Wagner (84.).
30. Juni 2017 in Warschau/Polen
Deutschland – Spanien 1:0 (1:0).
Deutschland: Julian Pollersbeck – Yannick Gerhardt, Marc Oliver Kempf, Niklas Stark, Jeremy Toljan – Janik Haberer (82. Dominik Kohr) – Serge Gnabry (81. Nadiem Amiri), Maximilian Arnold, Max Meyer, Mitchell Weiser – Maximilian Philipp (87. Levin Öztunali). – Trainer Stefan Kuntz.
Tor: 1:0 Weiser (40.)
21. Mai 2021 in Szekesfehervar/Ungarn
Deutschland – Dänemark 2:2 n.V. (1:1, 0:0), 6:5 i.E
Deutschland: Finn Dahmen – Josha Vagnoman (91. Paul Jaeckel), Amos Pieper, Nico Schlotterbeck, David Raum – Florian Wirtz (87. Lars Lukas Mai), Anton Stach (75. Mateo Klimowicz), Arne Maier – Ridle Baku (75. Karim Adeyemi), Lukas Nmecha, Mergim Berisha (64. Jonathan Burkardt). – Trainer: Stefan Kuntz.
Tore: 0:1 Faghir (69.), 1:1 Nmecha (88.), 2:1 Burkardt (100.), 2:2 Nelsson (108., Foulelfmeter).
Elfmeterschießen: 0:1 Isaksen, Christensen hält gegen Burkardt, 0:2 Holse, 1:2 Maier, Dahmen hält gegen Faghir, 2:2 Mai, 2:3 Hjulmand, 3:3 Schlotterbeck, 3:4 Nelsson, 4:4 Nmecha, 4:5 Nartey, 5:5 Pieper, Dahmen hält gegen Kristiansen, 6:5 Jaeckel.
(Mit Material vom SID)