Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft von Trainer Julian Nagelsmann trifft in ihren finalen Testspielen vor Beginn der EM 2024 auf die Ukraine und Griechenland. Das DFB-Team will die EM-Euphorie weiter befeuern und mit einem Sieg gegen Griechenland Selbstvertrauen für das Turnier tanken.
DFB-Team vor EM-Generalprobe
Julian Nagelsmann blieb auf dem kurzen Flug von Nürnberg nach Düsseldorf kaum Zeit für taktische Grübeleien – sein EM-Masterplan steht aber ohnehin. „Man sollte mit dem nötigen Stolz an die Aufgabe gehen, mit Demut und mit dem Bewusstsein und der Überzeugung, dass man nicht für sich agiert, sondern im Dienste und im Auftrag seines Landes“, sagte der Bundestrainer staatstragend vor der Turnier-Generalprobe mit den strahlenden Champions-League-Siegern Toni Kroos und Antonio Rüdiger gegen Griechenland.
Einige Detailfragen muss Nagelsmann vor dem Duell mit dem Sensations-Europameister von 2004 am Freitag (20:45 Uhr/RTL) in Mönchengladbach aber noch beantworten. Wen wird er nach dem Spiel aus seinem vorläufigen EM-Aufgebot streichen? Setzt er Kapitän Ilkay Gündogan auf die Bank? Stürmt Kai Havertz oder Niclas Füllkrug?
Der wahrscheinlichste Streichkandidat ist Robin Koch, auch wenn der Frankfurter beim Abschlusstraining am Donnerstagvormittag in Herzogenaurach noch munter mitmischte. Koch ist Innenverteidiger Nummer fünf. Daher dürfte sein Name nicht auf der Liste auftauchen, die Nagelsmann nach dem Spiel bis Mitternacht der UEFA melden muss.
Kapitän Gündogan ist natürlich sicher dabei, doch eine Startelfgarantie hat er nicht. Die lange Saison mit dem FC Barcelona hat beim 33-Jährigen ihre Spuren hinterlassen. „Ich glaube, dass der moderne Fußball nicht mehr so gestrickt ist, dass man sagt: Der Kapitän muss immer spielen“, sagte Gündogan noch vor der Reise in den Westen.
Leroy Sane steht nach seiner Sperre als Alternative bereit. Der zuletzt von Schambeinproblemen geplagte Münchner wird zumindest einen Teileinsatz bekommen. „Leroy“, sagte Nagelsmann, „hat eine Qualität, auf die wir nicht verzichten wollen, nicht verzichten können.“
EM-Euphorie soll weiter befeuert werden
Viel Qualität und noch größeres Selbstvertrauen bringen Mittelfeldchef Toni Kroos und Abwehrboss Rüdiger mit. Nach dem erneuten Triumph mit Real Madrid in der Königsklasse wollen sie auch der DFB-Auswahl diese Siegermentalität einimpfen. „Wir können den Killerinstinkt mitnehmen“, sagte Rüdiger. Der wurde im vorletzten Test gegen die Ukraine (0:0) vermisst. „Das eine oder andere Tor hat gefehlt. Da können wir einiges mitnehmen aus Madrid“, sagte Rüdiger. Im ausverkauften Borussia-Park soll schließlich die EM-Euphorie eine Woche vor dem Eröffnungsspiel gegen Schottland weiter befeuert werden. „Wir wollen eine Aufbruchstimmung und wollen die Fans mitnehmen“, versicherte Rüdiger.
Dafür müssen Tore her. „Wir brauchen eine bessere Strafraumbesetzung“, forderte Nagelsmann nach der Nullnummer in Nürnberg. Havertz hing als Sturmspitze etwas in der Luft, Füllkrug wäre die erste und gegen einen defensiv eingestellten Gegner womöglich bessere Alternative. Nagelsmann lobte den Dortmunder jedenfalls für „seine Wucht und Kopfballstärke“.
Doch Havertz will seinen Platz ganz vorne nicht räumen. „Ich sehe mich ganz klar als Neuner, da habe ich auch in den letzten sechs Monaten bei Arsenal gespielt“, sagte der 24-Jährige im kicker.
Notfallplan von Bundestrainer Nagelsmann
Nagelsmann kommen die verschiedenen Möglichkeiten entgegen, er bereitet sich schließlich auf alle Eventualitäten vor. „Natürlich haben wir schon einen Notfallplan, was passiert, wenn noch zehn Minuten zu spielen sind und wir unbedingt ein Tor brauchen“, verriet der 36-Jährige im „Spielmacher“-Podcast von 360Media. Die entsprechende Situation habe seine Elf „vorher trainiert, so dass die Spieler wissen, was sie machen müssen, wenn ich ‚Notfallplan‘ rein rufe“, sagte Nagelsmann.
Im Idealfall soll es aber so weit gar nicht kommen. Schließlich will der dreimalige Europameister einen Stimmungswandel in Deutschland herbeiführen. Er habe den Eindruck, „dass sich in der deutschen Gesellschaft in den vergangenen Jahren schleichend ein Pessimismus eingenistet hat. Das Glas ist halbleer, wir konzentrieren uns oft auf das Negative“, sagte Nagelsmann im Verbandsmagazin „DFB aktuell“. Seine Elf könne dies ändern.
„In der Vergangenheit waren der Fußball und die Nationalmannschaft oft Mittel, dies zu drehen“, meinte der Bundestrainer. Er nannte die WM 1954 als „leuchtendes Beispiel“, aber auch die anderen großen Titel „hatten jeweils Bedeutung über den Sport hinaus. Mich würde es wahnsinnig freuen, wenn uns Vergleichbares gelänge. Wenn wir mit unserem Spiel das Land rütteln und die Stimmung drehen würden.“
Ein überzeugender Sieg bei der Generalprobe wäre schon mal ein guter Beginn.
Splitter
BILANZ I: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bestreitet in Mönchengladbach gegen Griechenland ihr 1012. Länderspiel. Die Bilanz seit der ersten Begegnung am 5. April 1908 mit der Schweiz (3:5): 582 Siege, 210 Unentschieden und 219 Niederlagen bei 2267:1195 Toren. Eingesetzt wurden in diesem Zeitraum 980 Nationalspieler.
BILANZ II: Für Julian Nagelsmann ist es das achte Spiel als Bundestrainer. Seine Bilanz ist positiv: drei Siege, zwei Unentschieden, zwei Niederlagen.
BILANZ III: Die DFB-Auswahl trifft zum zehnten Mal auf Griechenland. Die Bilanz ist mit sechs Siegen und drei Unentschieden positiv. Die bislang letzte Begegnung fand im EM-Viertelfinale 2012 statt. Die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw gewann in Danzig 4:2.
REKORDSPIELER: Der ehemalige Weltfußballer Lothar Matthäus lief zwischen 1980 und 2000 150-mal für die DFB-Auswahl auf. Im Aufgebot für die Begegnung am Freitag ist der Münchner Thomas Müller mit 129 Länderspielen der erfahrenste Profi.
REKORDTORSCHÜTZEN: Miroslav Klose führt die ewige Torjägerliste des DFB mit 71 Treffern vor Gerd Müller (68) an. Müller erzielte seine Tore in nur 62 Länderspielen, bei Klose waren es 137. Im Kader für das Spiel gegen die Griechen ist Thomas Müller mit 45 Toren der erfolgreichste Schütze.
ZUSCHAUER: Für das Spiel im Borussia-Park gibt es nur noch wenige Restkarten. Über 45.000 Tickets wurden bereits verkauft.
SCHIEDSRICHTER: Der Spanier Jose Luis Munuera leitet die Begegnung. Der 41-Jährige ist seit 2019 FIFA-Schiedsrichter.
(Mit Material vom SID)