Erstes Länderspiel nach dem Weltkrieg: Wiedergeburt unserer Nationalelf

Am 22. November 1950 bestreitet die DFB-Auswahl ihr erstes Länderspiel nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Weg dahin ist weit, die Umstände sind teils abenteuerlich.

Bundestrainer Sepp Herberger will es ganz genau wissen. „Treten Sie mal fest gegen Ihren Schreibtisch!“, sagt er am Telefon zu Fritz Walter, um die Einsatzfähigkeit seines angeschlagenen Lieblingsschülers zu überprüfen. Dann, nochmal: „Fester!“ Das malträtierte Möbelstück hat bald „Schrammen“, wie Walter später erzählt. Und sein lädiertes Knie, schmerzt es? „Und ob“, sagt Walter zum „Chef“, der resigniert feststellt: „Dann werden Sie wohl nicht spielen können…“

Erste Länderspiel der Nachkriegszeit und die Wiedergeburt für unsere Nationalelf

So steigt das erste Länderspiel der Nachkriegszeit am 22. November 1950 in Stuttgart gegen die Schweiz ohne den späteren Weltmeister-Kapitän. Wobei: Ganz verzichten kann und will Herberger nicht auf den Lauterer. Walter reist trotz Blessur an und erlebt aus nächster Nähe, was Herberger als „Wiedergeburt für unsere Nationalelf“ bejubelt. Der Weg dahin ist weit und steinig.

Als Folge des Krieges ist Deutschland aus der Fußballwelt verbannt, sogar internationale Freundschaftsspiele auf Vereinsebene sind verboten. Die Schweizer, 1908 erste deutsche Länderspielgegner und 1920 die ersten nach dem Ersten Weltkrieg, setzen sich als größte Befürworter des Wiederanpfiffs für den Nachbarn 1948 darüber hinweg und kommen zu „Städtespielen“ nach Stuttgart, München und Karlsruhe.

Die niederländische Zeitung Het Vrije Volk schimpft: „Nein, Schweizer. Das war falsch von euch, das war geschmacklos. Europa blutet noch aus tausenden, durch die Deutschen geschlagenen Wunden, und in zehntausend Familien herrscht noch Trauer.“ Dennoch hebt der Weltverband FIFA im Mai 1949 das Spielverbot auf, im September schließlich öffnet er – erneut auf Betreiben der Eidgenossen – dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) die Arme für die Rückkehr.

Es ist auch eine Reaktion auf den beginnenden Kalten Krieg und die Wiederbewaffnung. Wer Soldaten hat, soll auch kicken dürfen. Nur: mit wem? Das letzte Länderspiel ist acht Jahre her. Herberger, der sich gegen einige Widerstände zurück ins Amt gekämpft hat, hat im Krieg viele Spieler verloren. Ein neues Buch zum Jubiläum („Herbergers Kandidaten“ von Fabian Siegel, Werkstatt-Verlag), beleuchtet die teils abenteuerliche Auswahl.

Fast 100.000 im Neckarstadion in Stuttgart

Neun der eingesetzten zwölf Spieler sind letztlich Debütanten. Das Interesse ist trotzdem riesig, Fußball Opium fürs kriegsversehrte Volk. Offiziellen Angaben zufolge drängen sich 96.400 Zuschauer im Neckarstadion (vormals „Adolf-Hitler-Kampfbahn“), tatsächlich sind es 115.000. Dutzende verletzen sich in dem Gequetsche, teils schwer.

Dass kurz vor dem Anpfiff Totenstille herrscht, hat aber einen anderen Grund: Die junge Bundesrepublik hat noch keine Hymne, nach dem „Schweizerpsalm“ schweigen die Menschen eine Minute.

Burdenski tritt an und trifft zum Sieg

Auf dem vom Regen aufgeweichten Platz stehen in Toni Turek, Ottmar Walter und Max Morlock drei spätere „Helden von Bern“, Favorit ist aber die Schweiz. Doch ein Handelfmeter ermöglicht der DFB-Elf die Führung. Obwohl Herberger ausdrücklich untersagt hat, dass der angeblich leichtsinnige Herbert Burdenski schießen soll, tritt der Bremer an – und trifft zum 1:0-Sieg.

„Ich brauchte keinen großen Anlauf, war ja so viel Schlamm, anderthalb Schritt“, sagt er nach dem Match im Matsch. Die Belohnung: Neben einer Uhr und einem Schweizer Taschenmesser gibt es für jeden Spieler 100 Mark Prämie. „Wir dachten, das muss ein Irrtum sein“, sagt Burdenski über die unerwartet hohe Summe.

Nach dem Abpfiff steigen Raketen auf, der englische Schiedsrichter Arthur Edward Ellis prophezeit beim Bankett: „Ich (…) behaupte, dass der deutsche Fußball schon wieder eine führende Rolle mitzuspielen vermag.“ Keine vier Jahre später werden Walter und Co. Weltmeister – in der Schweiz.

(Mit Material vom SID)

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